Der Siegeszug des Homeoffice ist eine der grössten Veränderungen, die die Pandemie der Arbeitswelt gebracht hat. Und es wird in vielen Bereichen bleiben. Die Freiheit länger schlafen zu können, anstatt morgens ins Büro pendeln zu müssen, bringt aber auch Probleme mit sich – von selbstauferlegter längerer Arbeitszeit bis zu dem Gefühl immer erreichbar sein zu müssen. Doch ist das wirklich so?
Die Rechtslage
Auch im Homeoffice geniessen Arbeitnehmende dieselben Rechte wie im Büro. Damit sind die Regelungen zu den Arbeits- sowie Ruhezeiten unverändert und auch die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45 Stunden für Büropersonal bleibt im Homeoffice weiter bestehen (Artikel 9 ArG). Wobei ein Beschäftigungsgrad von 100 % lediglich 42 Stunden pro Woche entspricht, viele Arbeitnehmende aber weniger arbeiten. So lagen die tatsächlichen Arbeitsstunden 2022 in der Schweiz durchschnittlich bei 31 Wochenstunden1.
Egal wie lange einzelne Menschen arbeiten, ausserhalb der vereinbarten Zeiten müssen Arbeitnehmende nicht erreichbar sein. Wann am Tag gearbeitet wird, kann innerhalb des gesetzlichen Rahmens flexibel gestaltet werden. D. h. die Arbeitszeit darf frei zwischen 6 und 23 Uhr gelegt werden, inkl. der Pausenzeiten 14 Stunden am Tag aber nicht überschreiten (Artikel 10 ArG). Auch müssen die Ruhezeiten zwischen zwei Arbeitstagen mindestens elf Stunden betragen. Einmal die Woche darf sie zwar auf acht Stunden verkürzt werden, der Schnitt über zwei Wochen darf aber elf Stunden nicht unterschreiten (Artikel 15a ArG).
Die Realität
Gesetzliche Regelungen sind allerdings nur eine Seite der Medaille, denn wer droht seinem Arbeitgeber bei einer einmaligen Überschreitung mit einem Gerichtsverfahren?
Um Konflikte und Missverständnisse zu vermeiden, ist eine offene Kommunikation zwischen beiden Parteien viel wichtiger und zielführender. So kann es sinnvoll sein, einen festen Zeitraum am Tag, sozusagen die Kernarbeitszeit, festzulegen an denen alle erreichbar sein müssen – z. B. das klassische 9-to-5. Es ist essenziell, dass die Erwartungen aller klar sind. So sollten Arbeitnehmende Ihre Erreichbarkeit sinnvoll organisieren und klare Grenzen setzen. Vorgesetzte hingegen sollten Bedürfnisse und Grenzen im Rahmen des Zumutbaren respektieren.
Gehen beide Seiten offen, flexibel und respektvoll miteinander um, können sie Win-Win-Lösungen finden, die den Arbeitsfluss fördern und die Work-Life-Balance wahren oder sogar optimieren.
Der Alltag
Dieses Vorgehen muss vom Management ausgehend vorgelebt werden. Vorgesetzte sollten mit gutem Beispiel vorangehen und die eigenen Arbeitszeiten nicht verlängern, um unnötigen, impliziten Druck auf die Mitarbeitenden zu vermeiden. Falls unbedingt nötig sollten sie es zumindest heimlich machen und nach Schluss der vereinbarten Zeiten auch keine E-Mails mehr verschicken, sondern lediglich vorterminieren.
Das gilt mit Einschränkungen natürlich für alle Mitarbeitenden. Wichtiger ist für sie aber, dass sie Ihre Arbeitszeiten strukturieren, Prioritäten setzen und klare Kommunikationswege etablieren.
Eine Lösung gibt's nur gemeinsam
Die Erreichbarkeit im Homeoffice kann eine Herausforderung sein, die durch eine kluge Herangehensweise und gegenseitiges Verständnis zu bewältigen ist. Wenn beide Seiten an einem Strang ziehen, Rechte sowie Grenzen der Arbeitnehmenden respektiert und Unternehmensinteressen dabei nicht vernachlässigt werden, kann eine für alle positive Lösung gefunden werden.
1) Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/302144/umfrage/wochenarbeitszeit-in-der-schweiz-nach-geschlecht/ (6.7.2023)